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Kontroversen bei Debatte um Werte
Ein Artikel aus der MOZ von Klaus D. Grote
Oranienburg (MOZ) Verliert unsere Gesellschaft ihre Werte? Welchen Werten folgen wir noch? Auf diese Fragen gingen am Montagabend in der Nicolaikirche auf Einladung von Pfarrer Friedemann Humburg und Altbürgermeister Hans-Joachim Laesicke sechs Männer ein.
Im Frühjahr soll das Thema mit Frauen diskutiert werden.
Die Diskrepanz zwischen den Werten, die unsere Gesellschaft bestimmen, und den pöbelnden Beleidigungen, die täglich zum Beispiel auf Facebook stattfinden, sieht Landrat Ludger Weskamp noch nicht als Beleg für einen Sittenverfall. „Ich glaube, die Wertigkeit unterschiedlicher Werte hat sich verändert“, sagte der SPD-Politiker. Friedemann Humburg hatte zu Beginn das Grundgesetz, die Zehn Gebote und die preußischen Tugenden als verbindende Werte unserer Gesellschaft genannt. Er fragte, ob wachsender Individualismus nicht gesellschaftliche Werte in Frage stelle. Stadtwerke-Geschäftsführer Alireza Assadi und Propst Christian Stäblein waren sich einig, dass die Freiheit des Einzelnen zur Unfreiheit der anderen führen könne. Respekt und Achtung müsse jedem Geschöpf Gottes zuerkannt werden, mahnte der Propst. Gerade hier sehe er aber eine Werteverschiebung. Die Gesellschaft nehme beispielsweise Obdachlosigkeit hin. Diese Sorglosigkeit sei aber eine Grenzüberschreitung, so Stäblein.
Der frühere Vize-Landrat Michael Ney, Mitglied der evangelischen Kirche und der CDU, Stadtverordneter und Kreistagsmitglied, warf dem Propst, der Nächstenliebe eingefordert hatte, Gleichmacherei vor. „Das trägt nicht zum Frieden bei. Menschen sind nicht gleich, aber gleichwertig“, sagte Ney. Dann spielte er erwartbar die ihm zugedachte Rolle als böser Bube der Diskussionsrunde. Ney verurteilte politische Korrektheit, weil sie Meinungsfreiheit einschränke und meinte damit wohl vor allem sich selbst. „Freiheit ist die Mutter der Gerechtigkeit, nicht ihre Tochter“, erklärte Ney, um schließlich auf sein Lieblingsthema Flucht zu sprechen zu kommen. Es stieß gerade den Kirchenmitgliedern im Publikum unangenehm auf, dass Ney zwei ehemalige Pfarrer beim Namen nannte, und erklärte, dass er nicht gern mit ihnen zusammengearbeitet habe. Während die Pfarrer die Bergpredigt als Argumentation zur Hilfe von Geflüchteten heranzogen, antwortete Ney mit den Paragrafen des Asylbewerberleistungsgesetzes und sprach von „moralischem Größenwahn“. „Zu sagen, lass sie alle rein, das ist Irrsinn“, sagte Ney, der unbedingt über dieses Thema sprechen wollte. Das vom Propst angeführte Gleichnis vom barmherzigen Samariter und auch das Argument der christlichen Nächstenliebe konnten Ney nicht umstimmen. Axel Drecoll, Direktor der Gedenkstättenstiftung, erinnerte an die historische Verantwortung. Der Nationalsozialismus hätte die „schlimmste Flüchtlingskrise der Menschheitsgeschichte“ ausgelöst.
„Wir sollten Respekt haben vor Menschen, die an unsere Tür klopfen“, sagte Drecoll. Der Historiker forderte auch Respekt in der Sprache ein und zeigte sich entsetzt über verbale Entgleisungen im Bundestag und auf Demonstrationen. Er sehe zudem die europäische Entwicklung mit Sorge. Immer häufiger komme es zu Ausgrenzung statt zu Integration. „Vielfalt ist ein Überlebensprinzip, biologisch und kulturell“, sagte Drecoll. Und er nannte das Problem der Ausgrenzung beim Namen: „In Deutschland ist es die AfD.“ Doch auch dem deutschen Innenminister Horst Seehofer warf er Missachtung der Religionsfreiheit vor, wenn dieser erkläre, der gehöre Islam nicht zu Deutschland.
Dass die Verrohung von Sprache und das Überschreiten von Tabugrenzen nicht erst mit den Möglichkeiten des Internet begann, erklärte Hans-Joachim Laesicke. Er sieht die Anfänge beim Start des Privatfernsehens. Ludger Weskamp forderte Respekt aus gesundem Menschenverstand ein. Die Anforderungen an den Einzelnen in der Gesellschaft würden aber wachsen. Es brauche Vorbilder zur Orientierung. Die seien jedoch abhanden gekommen, sagte Alireza Assadi. Er nannte als frühere Vorbilder Konrad Adenauer, Willy Brandt und den deutschen Kaiser, die dem Volk unterschiedliche Werte vorgelebt hätten. In der heutigen Konsumgesellschaft würden sich Menschen jedoch weniger über das Sein als über Besitz definieren, so Assadi.
Die Feststellung von Hans-Joachim Laesicke, „die da oben“ würden dermaßen kritisiert, dass niemand mehr Verantwortung übernehmen wolle, konnte sein Sohn und Amtsnachfolger so nicht stehen lassen. Ihm sei seit dem Amtsantritt an vielen Stellen die Hand gereicht worden, um Glaubwürdigkeit aufzubauen. „Ich sehe die Welt deshalb nicht so pessimistisch“, sagte der Bürgermeister.
Propst Stäblein betonte schließlich den Wert der gemeinsamen Zeit am freien Sonntag und dachte dabei wohl bereits an die „verkaufsoffenen“ Adventswochenenden. Drecoll forderte die Verantwortung des Einzelnen ein. Mit dem Wählen einer Protestpartei sei diese Verantwortung jedenfalls nicht erfüllt. Manchmal könne eine freundliche Geste oder ein lächelnder Gruß das Zusammenleben einfacher machen, so Drecoll.
Im Frühjahr soll das Thema mit Frauen diskutiert werden.
Die Diskrepanz zwischen den Werten, die unsere Gesellschaft bestimmen, und den pöbelnden Beleidigungen, die täglich zum Beispiel auf Facebook stattfinden, sieht Landrat Ludger Weskamp noch nicht als Beleg für einen Sittenverfall. „Ich glaube, die Wertigkeit unterschiedlicher Werte hat sich verändert“, sagte der SPD-Politiker. Friedemann Humburg hatte zu Beginn das Grundgesetz, die Zehn Gebote und die preußischen Tugenden als verbindende Werte unserer Gesellschaft genannt. Er fragte, ob wachsender Individualismus nicht gesellschaftliche Werte in Frage stelle. Stadtwerke-Geschäftsführer Alireza Assadi und Propst Christian Stäblein waren sich einig, dass die Freiheit des Einzelnen zur Unfreiheit der anderen führen könne. Respekt und Achtung müsse jedem Geschöpf Gottes zuerkannt werden, mahnte der Propst. Gerade hier sehe er aber eine Werteverschiebung. Die Gesellschaft nehme beispielsweise Obdachlosigkeit hin. Diese Sorglosigkeit sei aber eine Grenzüberschreitung, so Stäblein.
Der frühere Vize-Landrat Michael Ney, Mitglied der evangelischen Kirche und der CDU, Stadtverordneter und Kreistagsmitglied, warf dem Propst, der Nächstenliebe eingefordert hatte, Gleichmacherei vor. „Das trägt nicht zum Frieden bei. Menschen sind nicht gleich, aber gleichwertig“, sagte Ney. Dann spielte er erwartbar die ihm zugedachte Rolle als böser Bube der Diskussionsrunde. Ney verurteilte politische Korrektheit, weil sie Meinungsfreiheit einschränke und meinte damit wohl vor allem sich selbst. „Freiheit ist die Mutter der Gerechtigkeit, nicht ihre Tochter“, erklärte Ney, um schließlich auf sein Lieblingsthema Flucht zu sprechen zu kommen. Es stieß gerade den Kirchenmitgliedern im Publikum unangenehm auf, dass Ney zwei ehemalige Pfarrer beim Namen nannte, und erklärte, dass er nicht gern mit ihnen zusammengearbeitet habe. Während die Pfarrer die Bergpredigt als Argumentation zur Hilfe von Geflüchteten heranzogen, antwortete Ney mit den Paragrafen des Asylbewerberleistungsgesetzes und sprach von „moralischem Größenwahn“. „Zu sagen, lass sie alle rein, das ist Irrsinn“, sagte Ney, der unbedingt über dieses Thema sprechen wollte. Das vom Propst angeführte Gleichnis vom barmherzigen Samariter und auch das Argument der christlichen Nächstenliebe konnten Ney nicht umstimmen. Axel Drecoll, Direktor der Gedenkstättenstiftung, erinnerte an die historische Verantwortung. Der Nationalsozialismus hätte die „schlimmste Flüchtlingskrise der Menschheitsgeschichte“ ausgelöst.
„Wir sollten Respekt haben vor Menschen, die an unsere Tür klopfen“, sagte Drecoll. Der Historiker forderte auch Respekt in der Sprache ein und zeigte sich entsetzt über verbale Entgleisungen im Bundestag und auf Demonstrationen. Er sehe zudem die europäische Entwicklung mit Sorge. Immer häufiger komme es zu Ausgrenzung statt zu Integration. „Vielfalt ist ein Überlebensprinzip, biologisch und kulturell“, sagte Drecoll. Und er nannte das Problem der Ausgrenzung beim Namen: „In Deutschland ist es die AfD.“ Doch auch dem deutschen Innenminister Horst Seehofer warf er Missachtung der Religionsfreiheit vor, wenn dieser erkläre, der gehöre Islam nicht zu Deutschland.
Dass die Verrohung von Sprache und das Überschreiten von Tabugrenzen nicht erst mit den Möglichkeiten des Internet begann, erklärte Hans-Joachim Laesicke. Er sieht die Anfänge beim Start des Privatfernsehens. Ludger Weskamp forderte Respekt aus gesundem Menschenverstand ein. Die Anforderungen an den Einzelnen in der Gesellschaft würden aber wachsen. Es brauche Vorbilder zur Orientierung. Die seien jedoch abhanden gekommen, sagte Alireza Assadi. Er nannte als frühere Vorbilder Konrad Adenauer, Willy Brandt und den deutschen Kaiser, die dem Volk unterschiedliche Werte vorgelebt hätten. In der heutigen Konsumgesellschaft würden sich Menschen jedoch weniger über das Sein als über Besitz definieren, so Assadi.
Die Feststellung von Hans-Joachim Laesicke, „die da oben“ würden dermaßen kritisiert, dass niemand mehr Verantwortung übernehmen wolle, konnte sein Sohn und Amtsnachfolger so nicht stehen lassen. Ihm sei seit dem Amtsantritt an vielen Stellen die Hand gereicht worden, um Glaubwürdigkeit aufzubauen. „Ich sehe die Welt deshalb nicht so pessimistisch“, sagte der Bürgermeister.
Propst Stäblein betonte schließlich den Wert der gemeinsamen Zeit am freien Sonntag und dachte dabei wohl bereits an die „verkaufsoffenen“ Adventswochenenden. Drecoll forderte die Verantwortung des Einzelnen ein. Mit dem Wählen einer Protestpartei sei diese Verantwortung jedenfalls nicht erfüllt. Manchmal könne eine freundliche Geste oder ein lächelnder Gruß das Zusammenleben einfacher machen, so Drecoll.