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Konzert mit pädagogischem Auftrag
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Konzert mit pädagogischem Auftrag

Ein Artikel aus der Gransee-Zeitung von Sandra Jütte

Oranienburg (OGA) Ein Stückchen Kultur - und das kostenlos. In der St. Nicolai Kirche in Oranienburg gibt der Brite Jack Day einmal wöchentlich sein Können auf der Orgel zum Besten. Mittlerweile hat der Organist, der auch den ökumenischen Chor leitet, ein Stammpublikum.

Etwas zugig ist es an diesem Mittag unter der holzvertäfelten Decke, die entfernt an den Schiffsbauch der Arche Noah erinnert. Organist Jack Day bietet den Zuhörern Decken an, bevor er das erste Stück seines wöchentlichen Konzerts anstimmt. Hier oben auf der Empore der St. Nicolai Kirche spielt der gebürtige Brite jeden Dienstag um 12.15 Uhr für eine gute halbe Stunde aus seinem breiten Repertoire an Orgelmusik. Die Passagen wählt er je nach Anlass und Laune aus, improvisiert auch mal und hat für Wünsche ein offenes Ohr. Diese Woche steht ganz im Zeichen der Passionszeit, der Musiker gibt eine kontrastreiche Mischung aus Stücken vom 16. bis zum 19. Jahrhundert zum Besten.

Bedächtig lauschen die 17 Gäste in familiärer Atmosphäre den mal hellen, mal dunklen Klängen der Königin der Instrumente. Manche der hauptsächlich älteren Zuhörer auf den mit Sitzkissen ausgelegten Holzbänken schließen die Augen. Sie konzentrieren sich ganz auf die einnehmenden Töne. "Ich versuche, jede Woche herzukommen. Das ist das kleine Stückchen Kultur, dass ich mir regelmäßig leiste", sagt eine Besucherin. Während des Konzerts nickt sie mit dem Kopf im Takt der Musik. Ein anderes Ehepaar kommt ebenfalls seit ein paar Monaten regelmäßig in die Kirch-Empore.

Nach jedem der fünf Stücke erntet der Organist Applaus. Der 36-Jährige hat mittlerweile ein festes Stammpublikum von etwa 30 bis 35 Leuten. "Viele sehe ich jede Woche", sagt er, die dunkle Brille auf der Nase. Vielleicht liegt das auch daran, dass seine Konzerte mehr sind als musikalische Unterhaltung. Ein Stück weit sind sie auch Lehrunterricht. Denn zu jeder Passage erklärt der Musiker etwas, lenkt die Aufmerksamkeit auf das Besondere der Melodie. "Es ist schön für die Leute zu wissen, worauf sie achten sollten", erklärt er mit leichtem Akzent. Für ihn sei das eine Art pädagogischer Auftrag. Manchmal kämen sogar Schulklassen zu seinen Konzerten. Kultur in der Praxis.

Ganz im Element fliegen Jack Days Finger über die schwarzen und weißen Tasten der aus den 1950er-Jahren stammenden Orgel, gekonnt abgestimmt mit den Bewegungen seiner Füße. Diese gleiten mal nach rechts, mal ganz nach links. Mehrere Notenbücher hat der Brite vor seiner Nase aufgebaut. Eine Frau im grauen Ledermantel muss ab und zu beim Umblättern helfen. Vor den langen, silbrigen Pfeifen sind einige Spendendosen und eine Packung Kaffee ordentlich aufgereiht. Wohl ein Geschenk für die wohltuende Musik, denn die Packung ziert noch eine grüne Schleife. Das letzte Stück, der Psalm 116 von Sweelinde, ist das längste des kurzen, aber lehrreichen Intermezzos. Danach zücken die meisten der Gäste den Geldbeutel für eine kleine Spende.

2012 gründete Jack Day einen Orgelfreundeskreis, mit dem er Geld einsammelt, damit die Kirche irgendwann ein klangvolleres Instrument anschaffen kann. "Das klappt hoffentlich 2018 oder 2019", sagt der Musiker. Mit einigen Orgelliebhabern macht er auch Ausflüge, wie beispielsweise am 19. April zur bedeutensten Barockorgel Berlins in Karlshorst. Eine Führung und ein gemeinsames Abendessen stehen dann ebenfalls auf dem Plan.

Und wenn der sympathische Brite, der 2002 ursprünglich für eine Doktorarbeit über die deutsche Musikgeschichte nach Leipzig kam, sich gerade nicht mit Orgeln beschäftigt, leitet er den ökumenischen Chor der Kirche. Seit eineinhalb Jahren bereitet er sich mit den 55 Sängern und Sängerinnen intensiv auf das Passionskonzert am Sonnabend vor. Sie treten gemeinsam mit Gastmusikern der Leipziger Vokalsolisten und des Amicus Orchesters auf. Der Kantor wird ausnahmsweise nicht selbst spielen, sondern das Konzert dirigieren. Den Platz des Organisten übernimmt der Freiburger Torsten Johann. Etwas aufgeregt sei er schon, sagt Jack Day. Die Vorbereitungen hätten ihn sehr eingenommen. Trotzdem möchte er noch lange weitermachen und seinen Stammhörern jede Woche ein kleines Stückchen Kultur bieten.

Am Sonnabend um 17 Uhr findet in der St. Nicolai Kirche das Konzert zu Bachs Johannespassion statt. Karten kosten 12 Euro, für Schüler acht Euro. Sie sind im Gemeindebüro, in der Touristeninformation und in der Buchhandlung Miethe erhältlich.
erstellt von Mathias Wolf am 19.03.2016, zuletzt bearbeitet am 17.08.2018
veröffentlicht unter: Newsarchiv