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HINTERLASSENSCHAFTEN

Rettungsaktion für originale Zaunpfähle des KZ-Lagers Grüneberg

Etwa am 20. April 1945 wurde wegen des Herannahens der Roten Armee das Ravensbrücker KZ-Außenlager in Grüneberg geräumt. Es gibt verschiedene Berichte, auf welche Weise die Frauen ins Hauptlager zurückkamen, per Bahn und LKW, aber auch zu Fuß. Auch in dieser Übergangsphase kam es noch einmal zu lebensgefährlichen Situationen für die Häftlinge. So erzählte die Internierte Dana V. (Jg. 1925) aus Slowenien: „Es war, als sie das Brot verteilt haben, haben sie es herausgeschmissen. Und die Russinnen liefen da hin und rafften alle zugleich das Brot auf dem Boden. Aber ich rief: Halt! Stellt euch in die Reihe, dann bekommt ihr alle das Brot, und dann wird es nicht schmutzig sein! Das beobachtete die Aufseherin und zielte mit der Pistole auf mich. Ich duckte mich weg, so wurde die Frau hinter mir erschossen.“

Ein letztes Mal wurden die gesammelten Leichen mit dem LKW ins Krematorium nach Ravensbrück geschickt. Und sicher hatten die Aufseherinnen, die nicht zur Begleitung der Transporte eingeteilt waren, noch einiges im Lager aufzuräumen: Die Mannschaftsbaracken und Hundezwinger vor dem Haupttor des Lagers, aber auch auf dem Lagergelände die Küche, den Sanitärtrakt, die Krankenbaracke, das Magazin, die Effektenkammer und die Lagerverwaltungsbüros mit Kartei und Logistik, wohl peinlich darauf bedacht, die Spuren der Verbrechen und ihre eigenen Verflechtungen darin gründlichst zu verwischen.

Wasser, Strom, Müllentsorgung mussten abgemeldet werden, und igendwann zogen dann auch der Kommandant und die Wachmannschaft ab.
Jemand schloss das Lagertor.
Und dann?
Was passierte eigentlich dann mit dem Lager?

Frau Luise S. aus Grüneberg (Jg. 1925) erzählt: „Herr Jolke, der Ausklingler, der kam und hat uns direkt bestimmt: Auftrag vom Bürgermeister so und so, ihr müsst heute da und da hin, da müssen die Decken raus. - Die Fläche sollte sauber sein und alles sollte weg und kein Schandfleck mehr sein oder vielleicht haben sie auch ein schlechtes Gewissen gehabt, das weiß ich nicht. Es musste alles geräumt werden. Die Baracken, in denen die Gefangenen gewesen sind, das war nur ein Raum, nicht abgeteilt. Die Betten waren ganz einfach, aus Bretterholz zusammengenagelt. Matratzen waren das nicht, Strohsäcke. Und da waren die Decken. Weiter war da nichts. Ich möchte sagen, das waren Doppelstockbetten. Und da haben wir noch so gesagt: Gott, was haben diese Menschen hier ausgehalten.“ Frau Dana V. aus Slowenien berichtet als Überlebende: „Im Schlafsaal gab es viele Doppelstockbetten, ich schlief unten. Die Matratzen waren mit Maisstroh gefüllt. Die Decke war voller Läuse und ganz schmutzig, e i n e Decke für die ganze Zeit! Es gab keine Möbel, alles musste immer sehr ordentlich aufgeräumt sein, Betten, Kleider, am Rand des Bettes lag alles auf seinem Platz, sonst würden wir geprügelt oder Hunde würden auf uns gehetzt.“

Alle Baracken waren genormt und bestanden aus einzelnen Wandelementen, manche mit Fenster oder Tür. Die Teile funktionierten wie ein Stecksystem. In Grüneberg wurden sie auseinandergenommen und in dieser baustoffarmen Zeit nach dem Krieg einer Wiederverwendung zugeführt. So kamen sie zum Beispiel in den Kraatzer Weg in Häsen, auch nach Neulöwenberg oder nur ein paar Meter weiter in den Kreuzberg in Grüneberg. Sie wurden von Familien gebraucht, die ihre Heimat im Osten verlassen hatten und hier eine neue Bleibe suchten. Neben einer ersten Behausung stellte man ihnen Parzellen aus der Enteignung zur Verfügung, so konnten sie für ihren Lebensunterhalt wirtschaften. Die neu verwendeten Baracken wurden später außen oder innen mit Steinwänden isoliert oder durch Steinhäuser ersetzt. Ein bekanntes Beispiel ist die Kirchenbaracke in Häsen, die 2015 nach Teltow versetzt wurde und dort heute noch im Gebrauch ist.

Auch die Umfassungsmauer des Lagers bestand aus rarem Baumaterial. Holzbretter wurden zum Verfeuern, Ziegelsteine und Betonpfähle zur Einfassung eigener Grundstücke geholt. Wer heute mit offenen Augen durch Grüneberg geht, kann diese markanten Säulen an mehreren Orten finden. Es sind Pfähle, die - wenn die Enden nicht abgesägt wurden - oben gebogen sind und möglicherweise noch Spuren der Befestigung des Stacheldrahtes zeigen. Isolatoren weisen auf die Vorrichtung eines Elektrozauns hin. Dana V. erzählt: „Es gab Wachtürme rundherum. Der Zaun war blickdicht. Wir durften dem Zaun nicht nahe kommen, das war verboten. Wer dem Zaun nahe kam, wurde vom Wachturm erschossen oder von dem Wachmann, der innen Streife lief. Elektrozaun von oben bis unten, der Zaun bestand vielleicht aus Holz oder aus Steinen. Eine Frau hat dort Suizid gemacht.“

Der Grüneberger Andreas H. im Pappelhofer Weg etwa einhundert Meter hinter dem Gelände möchte seine marode Grundstücksmauer ausbessern, der „Arbeitskreis Grüneberg ERINNERT“ hat Kontakt mit ihm aufgenommen, um die fünf Pfähle zu sichern und aufzubewahren. Gesucht wird eine Firma oder Bauleute, die sich für diese gute Sache einsetzen und hier unentgeltlich Hand anlegen (Tel. 033094-80766 Pfarramt).

Heute erinnert eine Gedenktafel an die drei blutigen Jahre. Sie wurde erst im letzten Jahr der DDR, fast 45 Jahre nach der Räumung des Lagers, errichtet: zurückhaltend und wohl kaum das Ausmaß des Geschehens abbildend. Immerhin ein kleiner Gedenk-Punkt. Schilder an der B 96 und im Dorf sollen künftig auf ihn hinweisen und Interessierte hierher führen.
erstellt von Stefan Determann am 17.04.2021, zuletzt bearbeitet am 21.08.2023
veröffentlicht unter: Neues aus dem Pfarrsprengel