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9. Pilatus wäscht sich die Hände (Matth.27, 24-26)
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9. Pilatus wäscht sich die Hände (Matth.27, 24-26)

Gedanken von Pfarrer Ralf-Günther Schein

Nur das Matthäusevangelium berichtet von dieser oft dargestellten und sprichwörtlich gewordenen Szene, in der Pilatus einen jüdischen Ritus übernimmt.
„Als aber Pilatus sah, daß er nichts ausrichtete, sondern das Getümmel immer größer wurde, nahm er Wasser und wusch sich die Hände vor dem Volk und sprach: Ich bin unschuldig an seinem Blut; seht ihr zu! Da antwortete das ganze Volk und sprach: Sein Blut komme über uns und unsere Kinder! Da gab er ihnen Barabas los, aber Jesus ließ er geißeln und überantwortete ihn, daß er gekreuzigt werde.“
(Pilatus, der eigentlich als brutaler römischer Prokurator bekannt war, siehe Lukas 13, Vers1, wird in den Passionsberichten zumeist positiv beschrieben. Apokryphe Schriften wie das Nikodemus-Evangelium verstärken diese Sicht. Bei den koptischen Christen wurde Pilatus sogar heiliggesprochen.)
Der Beschwörung des Blutes durch die obersten Juden auf der einen Seite steht hier eine - allerdings fadenscheinige - Begründung der Unschuld mit Wasser auf der anderen Seite gegenüber. (Dieser Ritus ist in 5.Mose 21,6-9 erwähnt, wo Älteste zur öffentlichen Bezeugung ihrer Unschuld sich die Hände waschen)
In Psalm 26,5f heißt es: „Ich hasse die Versammlungen der Boshaften.... Ich wasche die Hände in Unschuld und halte mich Herr zu deinem Altar, dir zu danken...“
In diesem Sinne hat Cranach Pilatus auf einen prunkvollen Thron mit den kursächsischen Wappen gesetzt. In richterlicher Position hat er die Beine überschlagen. Mitleidig schaut er zu Jesus und wäscht sich dabei die Hände. Mit einer Ehrerbietung an seinen Landesherrn hat der Künstler diese Szene also bedacht. Die meist positive Sicht von Pilatus aus den Passionsberichten hat Cranach aktualisiert.
Der Thronsaal ist deshalb wohl auch symbolisch mit reifen Früchten und Blumen geschmückt.
Und doch wird Pilatus hier nicht nur positiv gesehen.
Das Gewicht der schweren Kugel über seinem Kopf wirkt bedrohlich. Das Zeichen seiner Macht, wohl eine Art Reichsapfel, hat er hinter sich aus der Hand gegeben. Pilatus wird zum Opfer seiner politischen Berechnungen, er beugt sich den Sachzwängen und stimmt, „um des lieben Friedens willen“ einem Mord zu. Es ist eine Macht voller Ohnmacht.
Diese, wenn man so will, gebeugte Haltung des Pilatus, spiegelt sich in dem Hund unten links im Bild wider. Ergeben und wohl mit eingezogenem Schwanz schleicht sich das Tier gerade davon.
Zwei prächtig gekleidete Figuren vor Christus, die Jesus schon durch ihre Gestik mit Spott übergießen, machen nicht zufällig die Mitte des Bildes aus. Gebeugt von all dem steht Christus daneben. Gebeugt und gebunden kann er seiner Verurteilung nicht mehr entrinnen. Er nimmt uns dabei als Betrachter in den Blick, als will der Künstler damit sagen:
Wo wir selbst gebeugt und gebunden Verurteilungen nicht entrinnen können, haben wir vor Christus ein An-Sehen.
Aber, wir werden darin auch gefragt, wo wir uns beteiligen an den berechnenden, mörderischen Sachzwängen und Verurteilungen anderer.
Der Ritter links neben Jesus, als ein Vertreter der Gewalt, der uns ebenfalls in den Blick nimmt, könnte diese Bedeutung unterstreichen. (Ein wenig erinnert mich dieser Ritter allerdings in seiner Haltung und mit dem gebeugten Hund vor ihm, wie eine Parodie auf Ritter Georg.)

erstellt von Mathias Wolf am 12.02.2015, zuletzt bearbeitet am 13.02.2015
veröffentlicht unter: Passionsandachten zu Holzschnitten von Lucas Cranach