Start Kirchenkreis & Arbeitsbereiche Ansprechpartner*innen Superintendent Artikel: „Die Wichtigkeit von Kirche lässt sich nicht nur an einer großen Zahl festmachen“
„Die Wichtigkeit von Kirche lässt sich nicht nur an einer großen Zahl festmachen“

„Die Wichtigkeit von Kirche lässt sich nicht nur an einer großen Zahl festmachen“

Ein Plädoyer für das Landleben und die Kirche im Dorf:

Am Sonntag wurde Superintendent Uwe Simon in seine neue Amtszeit im Kirchenkreis Oberes Havelland eingeführt. Zehn Jahre sind seit seinem Amtsantritt im damals neu gegründeten Kirchenkreis vergangen. 20 Jahre seit seinem ersten Dienst als Superintendent, und seit fast 30 Jahren ist Uwe Simon als Pfarrer im nördlichen Brandenburg zu Hause. Anlass für ein Gespräch über die Zeiten und Wege, Veränderungen und Kontinuität, über Generationswechsel und Zweitwohnsitzberliner, die Kirche im Dorf mit Event- und Weihnachtsgottesdiensten, über die schwindenden Mitgliederzahlen, Strukturreform und die Zukunft der Kirche im Oberen Havelland.

<b>Herr Superintendent Simon, am Sonntag wurden Sie von Generalsuperintendent Kristòf Bálint in der Oranienburger St. Nicolaikirche in Ihre neue Amtszeit im Kirchenkreis Oberes Havelland eingeführt. Wie kommt es, dass die Einführung in Oranienburg und nicht in Gransee, am Sitz des Kirchenkreises stattfand? </b>

Das ist eine spannende Frage, weil das ein sehr spontaner Einfall war. Meine erste Einführung haben wir in Templin gefeiert. Damals war Templin der Sitz des Kirchenkreises Templin-Gransee, der gerade neu gegründet war. Die zweite Einführung fand nach der Vereinigung der Kirchenkreise Templin-Gransee und Oranienburg am Sitz der neuen Superintendentur in Gransee statt. Deshalb war es irgendwie naheliegend, jetzt nach Oranienburg zu gehen.
Wir zeigen damit ja auch, dass die drei Bereiche Templin, Gransee und Oranienburg im Kirchenkreis zusammengehören, so wie auch mein Dienst und mein beruflicher Werdegang diesen großen Bogen schlägt.

<b>Wenn Sie sich die aktuelle Situation im Kirchenkreis betrachten und 10 Jahre zurückschauen – oder eigentlich ja schon 20 Jahre, sind Sie bereit für die nächsten 10 Jahre? Wie lange waren Sie vorher eigentlich schon Superintendent in Templin?</b>

Naja, ganz 10 Jahre werden es wohl nicht. Irgendwann ruft der Ruhestand. Angefangen in Templin habe ich 2002. Und neulich, durch Zufall habe ich gesehen, dass auch meine Einführung in Gransee vor 10 Jahren zum selben Termin stattfand: am 26. August 2012. So überschaue ich tatsächlich die Entwicklung von genau 20 Jahren.

<b>Wie war das denn vor 20 Jahren?</b>

Ja, das war völlig anders und auch wieder nicht. Der Kirchenkreis Templin-Gransee war ja damals gerade neu gegründet worden. Das hatte vor allem damit zu tun, dass der alte Kirchenkreis Gransee aus finanziellen Gründen vor der Situation stand, dass viele Mitarbeiterstellen abgebaut werden mussten. Wir sind dann mit dem neuen Kirchenkreis in eine Konsolidierung und wirtschaftlich stabile Phase gekommen. Der Kirchenkreis konnte sich wirklich neu aufstellen. Ein wesentlicher Unterschied zwischen damals und heute ist aber, dass in der Tat die Zahl der Gemeindeglieder noch einmal deutlich kleiner geworden ist. Und die Gemeinden haben sich auch in ihrer Struktur verändert. Zudem sehen wir jetzt nach einer langen Zeit, in der es wenig personelle Wechsel gegeben hat, auch eine deutliche Veränderung unter den Mitarbeitenden. Es sind viele Neue dazugekommen, einige sind in den Ruhestand gegangen oder haben ihre Stelle gewechselt. So gibt es eine völlig neue Mischung im Team. Das ist eine Entwicklung der letzten vier bis fünf Jahre. Ich finde das sehr spannend, weil es ja auch die Zusammenarbeit noch mal deutlich verändert.

<b>Kann man von einem Generationswechsel sprechen?</b>

Der ist im Gange, auf jeden Fall. Zum einen hat sich die Mitarbeiterschaft durch den Eintritt in den Ruhestand geändert. Aber auch, weil einige nach vielen Jahren gesagt haben, sie stellen sich noch einmal neuen Aufgaben in anderen Gemeinden – was ja gut und von der Landeskirche auch gewünscht ist.

Die Zehnjahresfrist bei der Übertragung einer Pfarrstelle führt ja dazu, dass man sich die Frage stellt: Bin ich an einem Punkt, wo ich gut weiterarbeiten kann. Oder ist es Zeit, dass ich mir und auch der Gemeinde neue Herausforderungen wünsche. Es braucht beides. Die Kontinuität und die Veränderung.

Das zeigt aber auch: Neue Mitarbeitende zu finden, wird zunehmend schwierig. Der Fachkräftemangel, den viele im Land beklagen, der trifft uns da ganz genauso wie alle Bereiche.

Wir haben in allen Berufsgruppen – ob es nun die Kirchenmusik ist oder die Gemeindepädagogik, aber auch im Pfarramt – mittlerweile deutlich mehr freie Stellen als Bewerberinnen und Bewerber. Das wird eine große Herausforderung. Zum einen müssen wir zeigen, wo die Attraktivität unserer Arbeitsfelder liegt, aber wir müssen auch ein attraktiver Kirchenkreis sein, wo Menschen Lust haben, hinzugehen, um hier zu leben und zu arbeiten. Und wir müssen auch dem Nachwuchs Lust machen, einen kirchlichen Beruf zu ergreifen, weil er Zukunft hat.

<b>Hat denn Kirche wirklich Zukunft, wenn man sich den Rückgang der Mitgliederzahlen in den vergangenen Jahre ansieht?</b>

Natürlich haben wir Zukunft. Das zeigen und erleben wir ja in unserer täglichen Arbeit. Auch wenn sich die Strukturen und die Gestalt von Kirche ändern werden, wenn sich Arbeitsformen ändern und wir insgesamt kleiner werden. Es gibt viele Aufgaben und positive Herausforderung, die es lohnen und lebenswert machen, in diesen Berufen mit Menschen in unterschiedlichster Weise zu arbeiten. Das wird immer Zukunft haben. Unsere Aufgabe ist es, mit Begeisterung zu zeigen, welche Freude ein solche Arbeit macht.

<b>Wenn man sich die Kirchenkreise vor 20 Jahren ansieht – das waren damals ja noch drei – und den heute einen großen Kirchenkreis und dazu die vielen Kirchengemeinden, mit den heute sehr viel weniger Gemeindegliedern, dann hat man das Gefühl, dass sich auch hier eine ganz ähnliche Entwicklung abzeichnet: immer größere Strukturen. Heißt das nicht auch, dass die Menschen In den kleinen Dörfer einfach allein gelassen werden?</b>

Man kann das natürlich ganz objektiv an Zahlen festmachen – oder auch subjektiv am Empfinden der Menschen, wenn es darum geht, in veränderten Strukturen zu arbeiten.

Rein objektiv betrachtet haben sich die Rahmenbedingungen für die Finanzierung von Stellen ja nicht verändert. Wir sind von den Kirchensteuereinnahmen abhängig. Der Anteil, den wir von der Kirchensteuer bekommen, ist abhängig von der Zahl der Gemeindeglieder. Und egal, welchen Schlüssel man nimmt, die Zahl der Gemeindeglieder, die eine Pfarrerin oder Pfarrer zu betreuen hat, wenn ich das mal als ein Beispiel nehme, ist nicht anders als vor 20 Jahren.

Die Menschen aber, an die ich als Pfarrer oder Pfarrerin gewiesen bin, die wohnen heute in sehr viel mehr verschiedenen Orten. Die Gemeinden sind kleiner geworden. Und weil ich es nun mit mehr Orten und mehr Kirchen oder Predigtstätten und manchmal auch mit mehr Gremien zu tun habe, ist das Empfinden, es ist viel mehr Arbeit geworden und „früher war es einfacher“ natürlich richtig. Wenngleich sich andererseits die Zahl der Taufen, Trauungen und Konfirmationen womöglich nicht sehr geändert hat.

Es gibt also wirklich diese beiden Ebenen: es ist mehr Arbeit, weil ich für einen sehr viel größeren Raum zuständig bin und weil ich nicht mehr so präsent sein kann, wie ich das vielleicht gern sein würde. Also es ist schwieriger auch mitzubekommen, was passiert eigentlich vor Ort. Man braucht also heute ein gutes Netzwerk, um zu wissen, wie es den Menschen geht und welche Sorgen sie haben.

Auf der anderen Seite ist aber die Zahl der Menschen, an die ich als Pfarrer oder Pfarrerin gewiesen bin, relativ konstant geblieben. Und, was auch geblieben ist, – und das ist das Schöne hier für die Arbeit im ländlichen Raum: Auch wenn ich mehr Orte zu betreuen habe als früher, dadurch, dass das alles auf einer sehr persönlichen Ebene stattfindet, weiß ich, wenn ich mein Netzwerk habe, relativ gut um die Menschen und die Situation vor Ort. Das macht für mich auch den Reiz des Lebens und Arbeitens auf dem Lande aus: Es gibt diesen viel engeren und dichteren Draht zu den Menschen.

Wenn man durch die Dörfer fährt und die Häuser sieht, und weiß, wer dort wohnt, und sich an so manche Geschichte erinnern kann. Wenn die Kontakte gewachsen sind und man vor Ort als Pfarrerin oder Pfarrer bekannt ist. Das empfinde ich als etwas sehr Wertvolles.

Ähnliches gilt für die Mitarbeitenden in der Kirchenmusik und der Gemeindepädagogik, wenn sie erleben, wie aus den Kindern Jugendliche werden und aus den Jugendlichen junge Erwachsene. Dann kommen die nächsten Kinder und auf einmal haben sie es schon mit der neuen Generation zu tun. Im ländlichen Raum und auch in den kleinen Städten erlebt man das viel intensiver, als das in einer Großstadt möglich wäre.

<b>Daran anschließend noch mal die Frage nach der Strukturreform in der Landeskirche, die ja viel diskutiert und aktuell im Gange ist? Ist es tatsächlich der richtige Weg, wenn alles größer wird?</b>

Zwar mag ich das Wort „alternativlos“ nicht, glaube aber, an der Stelle gibt es durch die Wirklichkeit tatsächlich keine andere Alternative. Wir merken zunehmend von Wahlperiode zu Wahlperiode, wie die Gemeinden kleiner werden, und dass es immer schwieriger wird, die notwendige Zahl von Menschen zu finden, die bereit und in der Lage sind, Leitungsverantwortung zu übernehmen.

Also wenn ich so eine Körperschaft, die ja eine Kirchengemeinde juristisch ist, leiten will, brauche ich mindestens vier Kirchenälteste, und dazu auch noch zwei Ersatzälteste, die bereit sind, sich um die Dinge in der Gemeinde zu kümmern, die bereit sind, als Leitungsgremium Verantwortung zu übernehmen. Und der Bereich, für den sie verantwortlich sind, das ist ja nicht nur, die Kirche am Sonntag für den Gottesdienst aufzuschließen. Ich sag mal nur die Stichworte: Arbeitsschutz, Datenschutz, Klimaschutz – also die Aufgaben und Anforderungen werden immer umfangreicher.

Und für die Hauptamtlichen, speziell die Pfarrerinnen und Pfarrer, wenn sie für mehrere Orte zuständig sind, ist die Situation ja so, dass sie nicht nur ein Leitungsgremium haben, sondern zwei oder drei, manchmal sogar fünf und mehr. Das ist auf Dauer nicht zu bewältigen.

Deshalb glaube ich, an der äußerlichen Gestalt der Körperschaften etwas zu ändern, das ist schon lange überfällig. Da haben wir uns in der Vergangenheit sicher schwer getan und auch in der Landeskirche eine lange Diskussion geführt, die sich genau in diesem Zwiespalt bewegt hat:

Man möchte die Bindung vor Ort nicht aufgeben und trotz allem aber die Zahl der Körperschaften reduzieren – also die Zahl der Verwaltungseinheiten. Das sage ich jetzt mal bewusst mit dem Begriff: „Verwaltungseinheiten“, weil es gerade nicht um die Orte an sich geht. Das wird oft verwechselt oder missverstanden, ganz so, als würden Orte oder Kirchen aufgegeben. Die eigentliche Frage ist doch, wie kann ich Verwaltung einfacher und einheitlicher in größeren Einheiten zusammenfassen, gerade um mehr Zeit zu haben für das, was auf der persönlichen Ebene in den einzelnen Orten passieren soll, im direkten Kontakt zu den Menschen. Und um das hinzubekommen, um auch Entlastung zu schaffen – gerade in der Verwaltung – ist der Weg, den wir gerade gehen, genau richtig.

Also da, wo wir etwas vereinheitlichen können, sehen wir, wie wir Dinge gemeinsam machen. Dazu kommt, dass wir natürlich in vielen Arbeitsbereichen ohne unser Dazutun schon seit langem Regionalisierungen haben. Zum Beispiel durch das Zusammenführen von Schulstandorten. Das hat auch unabhängig von unseren kirchlichen Strukturen Auswirkungen auf das Leben von Kindern und Jugendlichen. Und auch durch die beruflichen Umfelder und den Freizeitbereich leben die Menschen ja bereits in regionalen für größeren Zusammenhängen. Das geht schon lange über den eigenen Wohnort hinaus.

Was dazu kommt, und dem sollten wir sehr offen begegnen und es als eine positive Herausforderung sehen: Immer weniger Menschen wollen sich dauerhaft an bestimmte Dinge binden. Vieles geschieht projektartig. Also, man interessiert sich für einzelne Angebote, zeitlich befristet, und dann sucht man sich auch wieder etwas anderes, was wichtig ist. Das hat auch sehr mit unserer heutigen Lebenswirklichkeit zu tun, wo vieles gar nicht mehr über so lange Zeiträume planbar ist, allein schon durch die beruflichen Situationen, in der sich viele befinden. Solche Angebote und Projekte lassen sich natürlich viel besser in größeren Zusammenhängen realisieren. So können wir sehr viel differenzierter auf die Interessen der Menschen und ihre aktuellen Lebenssituationen reagieren.

<b>Das klingt alles sehr positiv und nach Aufbruch, aber geht nicht auch viel von dem verloren, was wir Identität oder heimatverbunden nennen?</b>

Strukturreformen sind natürlich immer auch mit Abschieden verbunden. Ich glaube gar nicht so sehr, dass das Aufgeben des eigenen Siegels für eine Dorfgemeinde der große Abschied ist. Sondern es ist eher die Sorge, dass immer weniger Menschen vor Ort Ansprechpartner, also die erkennbaren Gesichter unserer Kirche sind.
Das gute an der Strukturreform, so wie wir sie gerade machen, ist aber, dass es die verschiedenen Modelle gibt. Und wir stecken ja mittendrin. Da kann man schauen, was ist denn passgerecht und man findet positive Beispiele, kann sich mit anderen austauschen.

Wenn sich nur noch sehr wenige finden, die Leitungsverantwortung übernehmen können oder wollen oder wo die Gemeinde zu klein oder überaltert ist, da kann es gut sein, sich zu einer Kirchengemeinde zusammenzuschließen, die dann nur noch einen gemeinsame Gemeindekirchenrat bildet, in dem die Verantwortung für verschiedene Ortsteile direkt wahrgenommen wird.

Und woanders bietet sich vielleicht das Modell der Gesamtkirchengemeinde an, die ja relativ eigenständige Ortsteile hat, wo es Ortskirchenräte gibt, die weiter die Verantwortung vor Ort übernehmen. Die geschäftlichen Aufgaben, Abrechnungen, Verwaltung usw. werden dann aber auf einer gemeinsamen größeren Ebene erledigt. Da muss man tatsächlich schauen, was vor Ort passend ist.

<b>In den vergangenen Jahren hat es ja schon viele Veränderungen gegeben, wenn man sich die Landkarte betrachtet und die Zugehörigkeit von Kirchengemeinden. Ist da nun ein Ende in Sicht? </b>

Die Strukturreform ist eine der größten Herausforderungen, die wir gerade haben. Wichtig dabei ist es, die Chancen aufzuzeigen und Ängste abzubauen. Am Ende müssen wir alle gemeinsam gute Entscheidungen treffen, die für einen längeren Zeitraum Bestand haben oder Zukunftsperspektiven aufzeigen.

Wenn wir die Entwicklung der vergangenen Jahre betrachten und uns fragen, entspricht sie auch den Lebenswirklichkeiten der Menschen, ihren Zugehörigkeiten, und wie ist das mit den kommunalen Grenzen – ich glaube, da müssen wir uns die Zeit nehmen, um manches neu zu hinterfragen. Wir merken ja jetzt an vielen Stellen in der täglichen Arbeit noch einmal mehr, dass es eine richtige Herausforderung ist, wenn so ein Pfarrsprengel über verschiedene kommunale Grenzen hinausgeht, wenn die Kinder und Jugendlichen nicht zusammen sind, weil sie womöglich in verschiedenen Landkreisen zur Schule gehen. Da ist leider in der Vergangenheit zu oft nach dem Zufallsprinzip oder nach dem Prinzip der frei gewordenen Stellen reagiert worden. Ich bin sehr dafür, dass wir uns das noch mal ganz gründlich anschauen. Unsere Strukturen sollten mit der Orientierung der Menschen und ihren Lebenswirklichkeiten einhergehen.

Was mich ermutigt, ist, dass die Notwendigkeit zur Veränderung gar nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird. Zumindest nehme ich das bei uns im Kirchenkreis so war. Die Herausforderung der kleiner werdenden Gemeinden wird gesehen. Und es gibt viele Menschen, die gerade in der Situation dieses Wandels beginnen, sich neu im Ehrenamt zu engagieren, weil sie merken, wie wichtig sie für ihre Kirche vor Ort sind. Sie übernehmen auch gern Verantwortung. Da ist ein Veränderungsprozess im Gange. Da werden neue Wege der Zusammenarbeit und Gemeinschaft gefunden, auch über vermeintliche Grenzen hinweg.

Sehr schön finde ich, dass sich gerade in der Region Gransee zwei Pfarrsprengel auf den Weg gemacht haben, als jeweils neue Gesamtkirchengemeinde zusammenzugehen. Gerade dort höre ich von vielen positiven Erfahrungen, was die Stärkung des Ehrenamtes und die Autonomie der ehrenamtlichen Gremien betrifft. Die Menschen sind wirklich bereit, Verantwortung zu übernehmen und tun das auf eine wunderbare Art und Weise. Für mich ist das eine sehr spannende positive Erfahrung, zum Teil auch überraschend, weil der Prozess ja im Vorfeld mit vielen Ängsten besetzt war. Der Praxistest zeigt: es funktioniert.

<b>Aber erwächst daraus nicht auch die Erwartung, wenn alles größer und zentraler wird, dann muss es auch immer gleich etwas besonderes sein. Dann gibt es einen „Eventgottesdienst“ für alle und die Kirche im Dorf bleibt leer?</b>

Naja, das Thema Event ist ein bisschen negativ konnotiert in dem Zusammenhang. Ich glaube aber, die Erfahrung ist, dass wir neben dem kontinuierlichen Gottesdienstangebot – was ja schon seit längerem, egal, ob wir nun eine Strukturreform machen oder nicht, bedeutet, dass in vielen Gemeinden ohnehin nur noch ein Mal im Monat Gottesdienst ist – dass man also neben dieser Kontinuität unbedingt auch Höhepunkte schaffen sollte, die es den Menschen ermöglichen, sich mit ihrer Kirche und ihrem Ort in einer größeren Gemeinschaft zu identifizieren. Das ist eine Form von gottesdienstlichem und gemeindlichen Zusammenleben, die zunehmend wichtig wird. Das sehen wir ja an der Zahl deren, die solche Gottesdienste besuchen und sich dafür auch in wunderbarer Weise ehrenamtlich in Vorbereitung und Durchführung engagieren.

Wir entsprechen damit dem Wunsch vieler Menschen. Gemeinsam Gottesdienst zu feiern, sich zu treffen und dabei über persönliches zu plaudern, sich auszutauschen und Zeit füreinander zu haben: Menschliche Nähe und Gemeinschaft, das können wir als Kirche und gerade das macht uns aus.

<b>Der Weihnachtsgottesdienst wird aber weiterhin im eigenen Dorf gefeiert?</b>

Ja unbedingt. Es kommt auch auf diese Kontinuität an. Die ist enorm wichtig vor Ort, gerade wenn es so viele Veränderungen gibt. Die großen Feste werden natürlich im eigenen Ort gefeiert. Es ist wichtig, dass in unseren vielen kleinen Dorfkirchen Weihnachts- und Ostergottesdienste stattfinden. Denn diese Feste betreffen die großen Themen unseres Glaubens. Wir sind dann in so vielen Orten präsent, in fast jeder Kirche. Wir können das aber nur, weil sich so viele Menschen dafür engagieren. Da zeigt sich auch, wie wichtig den Menschen die Kirche im Dorf ist.

Das wunderbare ist, wir haben zugleich auch den Mut, aus unseren Mauern herauszugehen, dorthin, wo sich die Menschen treffen. Wenn Dorffeste, wenn Stadtfeste, wenn Erntedank oder Feuerwehrfeste mit Gottesdiensten in besonderer Weise gefeiert werden. Wenn wir besondere Orte für lebendige Gottesdienste nutzen: ein Tauffest an einem See, ein Dorfjubiläum mit einem Gottesdienst an einem zentralen Ort. Da sind wir als Kirche einfach mitten im Leben der Menschen. Sicher ist das auch eine Herausforderung, weil solche Formen ganz anders gestaltet und vorbereitet werden müssen – doch hier liegt eine große Chance. Die sollten wir nutzen.

Genauso wichtig ist es, dass Menschen ihre vertrauten Gottesdienste feiern, in denen sie sich einfach fallen lassen können, weil sie nicht mit „Überraschungen“ zu rechnen haben. Ich merke auch selbst immer wieder, wie wichtig es mir ist, dass ich mich einfach in einer mir vertrauten Form fallen lassen kann und mitgetragen werde.

<b>Unterm Strich bedeutet das aber, dass immer mehr Kirchen nur noch selten genutzt werden. Lohnt es sich dann überhaupt, sie zu unterhalten oder aufwendig zu sanieren?</b>

In der Tat sind wir in fast jedem Ort mit einer Kirche präsent. Das ist ja ein wirklich großer Schatz, den wir da haben. Aber es ist auch eine Last. Denn sie wollen ja alle erhalten werden, eine große Herausforderung. Auf der anderen Seite: die Dörfer sagen alle, wir brauchen ein Dorfgemeinschaftshaus. Ich sag ja manchmal so ein bisschen salopp: Im Prinzip hat jedes Dorf bereits sein Dorfgemeinschaftshaus – nämlich seine Kirche.

Was man aber beobachten kann, und dafür bin ich sehr dankbar, das sind die zahlreichen Initiativen, die es seit vielen Jahren gibt. Es ist ja nicht unser Verdienst, wenn Kirchen täglich für Besucher offen sind. Zum einen gab es eine große Bewegung, die Kirchen zu öffnen. Und in vielen Gemeinden finden sich Menschen, die bereit sind, dafür Verantwortung zu übernehmen, die Kirche morgens zu öffnen und abends wieder zu schließen, sie schön zu ausschmücken, sie also einladend und gastfreundlich zu zeigen. Und tatsächlich kommen sehr viele Menschen. Dafür lohnt es sich. Und es zeigt, wie groß auch der gesellschaftliche Wert einer Kirche ist, dass es genau diese Orte der Einkehr und der Stille gibt – und zwar nicht nur in den großen Krisenzeiten, wo wir dann zu Gottesdiensten und Gebeten eingeladen haben. Sondern einfach auch für Menschen in ihren unterschiedlichen Lebenssituationen, im Urlaub oder auch in persönlichen Nöten.

Genauso wichtig ist es, dass unsere Kirchen auch Orte der Kultur sind. An der Stelle sind wir ein natürlicher Bestandteil des sozialen Lebens. Es gibt viele Initiativen vor Ort und im ländlichen Raum für Ausstellungen oder Konzerte in Kirchen. Das ist etwas ganz wunderbares.

<b>Diese kulturellen Initiativen kommen dann zum Teil ja auch aus einer Dorfgemeinschaft heraus, die gar nicht mehr direkt mit der Kirche verbunden ist. Wie geht das zusammen?</b>

Die Kirche im Dorf ist ja ganz oft ein Identifikationspunkt, ein Symbol. Das hat etwas mit Heimatverbundenheit zu tun. Und in dem Sinne ist es tatsächlich wichtig, die Kirche im Dorf zu lassen – und sie dann auch zu öffnen, uns zwar für alle. Ich glaube, da dürfen wir auch keine Berührungsängste haben, sondern sollten uns über jede und jeden freuen, der oder die sich mit einer Kirche als gemeinschaftlicher Ort identifiziert und sich in ihr engagieren möchte.

Ich finde den Dialog zwischen kulturellen Angeboten und dem, wofür Kirche steht, also für die Fragen des Lebens und des Glaubens, etwas sehr spannendes. Dass man auch mit den Künstlerinnen und Künstlern, die unsere Kirchen für Ausstellungen und Konzerte nutzen, ins Gespräch kommt. Da passiert ja ganz viel. Da entstehen auch neue Räume für den gedanklichen Austausch.

Genauso wichtig ist es, dass wir unsere Kirchen für Menschen öffnen, die bei uns ihre Feste des Lebens feiern wollen. Wir haben vielen Amtshandlungen für Menschen, die aus Berlin kommen: Trauungen in kleinen Dorfkirchen, die sie im Urlaub oder bei einem Ausflug entdeckt und sich in sie verliebt haben. Da dürfen wir nicht nur auf unser eigenes Klientel schauen. Wir sind nun mal auch mitten in einer attraktiven Region für Berlinerinnen und Berliner. Da sollten unsere Kirchen auch ein Angebot für alle sein, die vorbeikommen und hier bei uns Station machen wollen.

<b>Gibt es eigentlich eine Zahl, wie viele Kirchenmitglieder aus Berlin mit Zweitwohnsitz im Kirchenkreis ansässig sind?</b> [...]


Das komplette Interview finden Sie unter den nachfolgenden Links.

Im Gespräch mit Superintendent Uwe Simon zu seiner neuen Amtszeit im Kirchenkreis Oberes Havelland
Hir können Sie das komplette Interview als Online-PDF lesen.
Die Wichtigkeit von Kirche lässt sich nicht nur an einer großen Zahl festmachen
Ein Plädoyer für das Landleben und die Kirche im Dorf:
hochgeladen am: 30.08.2022
hochgeladen von: Stefan Determann
Dateigröße: 412.76 kB
erstellt von Stefan Determann am 30.08.2022, zuletzt bearbeitet am 23.09.2022
veröffentlicht unter: Superintendent

Diese Information ist auch in der Newsliste des Kirchenkreises zu sehen.