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In diesen Zeiten / Pfarrerin Christine Rosin
Foto: privat

In diesen Zeiten

8. November 2020 | Gedanken zum Wochenende zum Drittletzten Sonntag im Kirchenjahr von Pfarrerin Christine Rosin aus Herzfelde (Templin)

Warum eigentlich wird immer von den Corona-Zeiten gesprochen? Warum dieser Plural? Kann es mehr als eine Zeit geben? Gleichzeitig? Lange stolperte ich über diese Formulierung „in Corona-Zeiten“. Und erst langsam freunde ich mich an damit, von Zeit in Mehrzahl zu denken. Denn die Zeit ist ein Geflecht. Da sind mehrere Stränge verflochten, und zwar nicht nur die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft, sondern mehrere Stränge gleichzeitig.

Die Zeit ist geflochten, so wie man Haare flechtet, oder Hefeteig oder bunte Bänder, von Hand, mit drei oder vier oder ganz vielen Strängen. Die Zeit ist von Hand geflochten, aus gleichzeitigen Strängen von Gefühlen, Aufgaben und Beziehungen. Und in diesen Tagen, in einer Krise, entflechtet sie sich eben grade zu einzelnen Strängen ohne Zusammenhalt. Soziale Beziehungen fallen auseinander. So gedeutet kann ich nun auch im Plural von „den Zeiten“ sprechen. Martin Luther hat diese Form auch verwendet: „Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr, Gott, zu unseren Zeiten...“

Wenn Gott von Hand die Zeiten flechtet, dann wird Frieden. Dieses Bild beruhigt mich. Ich will auch flechten in den kommenden Tagen. Ich will mit meinen Händen einen Strang in den anderen legen, und dabei in Gedanken zusammenfügen, was meine Tage bestimmt und was mich manchmal innerlich zerreißt.

So werde ich meine Sehnsucht nach Musik mit der Sorge um viele Menschen verflechten und mit der Unsicherheit der nächsten Wochen und Monate. Und es wird sich ein Goldfaden einflechten, ein Faden des Himmelreichs. Denn das Himmelreich ist kein Ort, es ist eine Zeit. Wann kommt es?, fragen die Jünger Jesus? Das Himmelreich ist mitten unter uns, heißt es im Lukasevangelium. Dieser goldene Faden in unseren Leben ist die Liebe, die unsere Tage zusammenfügt. Ich flechte meiner Tochter die Haare und weiß: weil Gott von Hand die Zeiten flechtet, wird einmal Frieden werden.
Andacht zum Sehen:
erstellt von Stefan Determann am 07.11.2020, zuletzt bearbeitet am 08.01.2021
veröffentlicht unter: Andachten 2020