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Pfarrerin Elisabeth Collatz aus Liebenwalde
Foto: KK-OHL / Stefan Determann

Mit offenen Augen und vielen Fragen

07.08.2022 | 8. Sonntag nach Trinitatis | Gedanken zum Wochenende von Pfarrerin Elisabeth Collatz aus Liebenwalde

Vor kurzem besuchten die „Wackelzähne“ die Liebenwalder Kirche. In wenigen Tagen werden sie Schulkinder sein. Still und andächtig durchschritten sie in Zweierreihen das Kirchenschiff. Einige blieben bei der Weltkugel stehen, an der Gebete für den Frieden gesprochen und Kerzen angezündet werden. Andere ließen sich auf eine harte Kirchenbank fallen, um auszuruhen. Eine Gruppe von Jungen berührte vorsichtig die Tasten des Klaviers und einige Mädchen strichen über das Altartuch. So viele ungewöhnliche Dinge mit ungewöhnlichen Namen (Altar, Kanzel, Orgel ... ). Nachdem jeder und jede einmal von der Kanzel winken durfte, schlugen die Glocken 12 Uhr und die Orgel begann zu spielen. Es war gerade Musik zur Marktzeit und in den hinteren Reihen nahmen ein paar Frauen Platz, um zu lauschen.

Als wir uns später in der Winterkirche wieder versammelten, durften alle Fragen gestellt werden „Was ist das für ein Buch?“, „Warum steht auf dem Tisch ein Kreuz?", ,,Wie alt ist die Kirche?", ,,Warum sieht sie so neu aus?" – Besonderes Interesse aber erweckte der Taufstein, der gleich neben dem Eingang steht. Er stammt aus der ehemaligen Kirche von Kreuzbruch. Wir bildeten einen Kreis darum und viele kleine Hände griffen automatisch in die Mitte, wo sich eine Vertiefung befindet.

,,Eigentlich ist darin Wasser", begann ich zu erklären, aber da kam schon die nächste Frage. ,,Was steht da geschrieben?" In den Rand des Taufsteins ist ein Vers aus der Bibel in alter Schrift eingeritzt. Also las ich ihn vor: ,,Lasset die Kindlein zu mir kommen." So hat es Jesus einmal gefordert, weil die Erwachsenen die Kinder weg gedrängt haben. Aber Jesus wollte nicht die Starken und Einflussreichen um sich versammeln, sondern die, die an den Rand gedrängt werden, die sich ihr Recht nicht selbst verschaffen können, die abhängig sind von anderen. Jesus geht los und holt diese Menschen in die Mitte, dazu zählen auch die Kinder.

In der Bibel gibt es viele Geschichten, in denen Kinder im Mittelpunkt stehen. Als zum Beispiel Sarah und Abraham im hohen Alter noch ein Kind zusammen bekommen, ist die Freude groß. Auch die Geschichte vom Auszug aus Ägypten beginnt mit dem kleinen Mose, der als Baby in einem Körbchen auf dem Nil überlebt und dann mit Gottes Hilfe sein Volk aus der Sklaverei befreit. Und als Gott selbst zur Welt kommt, verbringt er seine erste Nacht in Windeln gewickelt als Kind in einer Krippe.

,,Lasset die Kindlein zu mir kommen." Nie ist Gott uns näher als in einem Kind, und nie sind wir Gott näher als in den Momenten, wenn wir ihn/sie wie ein Kind entdecken, mit offenen Augen und vielen vielen Fragen.
erstellt von Stefan Determann am 05.08.2022, zuletzt bearbeitet am 14.01.2023
veröffentlicht unter: Andachten 2022