Kirchen dürfen nicht aufgegeben werden
Brandenburgs Landeskonservator Thomas Drachenberg fordert mehr Hilfe für Kirchengemeinden beim Erhalt der Denkmäler
Die evangelische Kirche sorgt sich um ihre Dorfkirchen in Brandenburg, die wegen sinkender Mitgliederzahlen irgendwann ungenutzt leerstehen und verfallen könnten. Am Mittwoch befasst sich der Kulturausschuss des Landtags mit dem Thema. Brandenburgs Landeskonservator Thomas Drachenberg erklärt, warum Kirchengemeinden mehr professionelle Unterstützung bei der Wartung und Pflege ihrer Bauwerke und Denkmäler brauchen.
Wo gibt es bei der Bewahrung von Brandenburgs Kirchen bereits Probleme und wo sehen Sie Probleme kommen?
Zuerst die gute Nachricht. Im Land Brandenburg ist seit 1990 nicht eine einzige denkmalgeschützte Kirche abgerissen worden! Das ist ein großartiger Erfolg des in Brandenburg sehr aktiven Netzwerkes, das sich um die Denkmale als wichtigen Teil unserer Baukultur kümmert. Die Kirchengemeinden gehören dazu, die vielen Vereine unter dem Dach des Förderkreises Alte Kirchen, die Denkmalschutzbehörden, die Landesdenkmalpflege und das Kulturministerium. Gleichzeitig ist in einer riesigen Aufholjagd erfolgreich der Sanierungsrückstau – seien wir ehrlich, der reicht manchmal bis in die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zurück – zu großen Teilen beseitigt worden. Dafür sind völlig zu Recht viele Millionen D-Mark und Euro ausgegeben worden. Obwohl es den Kirchgebäuden noch nie so gut ging wie heute, haben wir aber immer noch viel zu tun. Doch geht es jetzt auch um die Konservierung und Restaurierung der Kunstschätze. Hier besteht dringender Nachholbedarf. Das Thema der Sicherung der schwierigen Fälle, die bis jetzt nicht saniert werden konnten, aber für uns alle wichtig sind, ist ebenfalls aktuell. Und wir müssen die Kirchengemeinden auch darin unterstützen, die restaurierten Gebäude zu warten und zu pflegen und rechtzeitig Schäden zu erkennen, und nicht erst warten, bis wieder eine riesige Summe nötig ist, um das Bauwerk vor dem Verfall zu retten. Großkampagnen sind im Einzelfall nach wie vor nötig, wir müssen aber die nachhaltige Pflege und Wartung organisieren. Das ist eine Aufgabe der Eigentümerin, also der Kirchengemeinde. Hier sehe ich großen logistischen und fachlichen Unterstützungsbedarf.
Was muss getan werden, um die historischen Kirchen und Kulturdenkmäler der märkischen Landesgeschichte auch in bevölkerungsarmen Regionen mit wenig Kirchenmitgliedern zu erhalten?
Es gab vor Kurzem einen mit 160 Leuten extrem gut besuchten Workshop im Konsistorium, den wir zusammen mit der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und dem Förderkreis Alte Kirchen organisiert haben. Da wurde sehr deutlich, dass auch eine einmal im Jahr genutzte Kirche genutzt ist. Oft kümmern sich alle im Dorf gerne um das prominenteste und meist älteste Bauwerk des Ortes. Hier müssen Synergie-Effekte vor Ort greifen. Die Initiative kann nur erfolgreich sein, wenn sie vor Ort ergriffen wird. Die Landesdenkmalpflege kann dabei gerne unterstützen. Wichtig scheint mir zu sein, dass es Strukturen gibt, die die Leute vor Ort beim Monitoring und bei der Wartung und Pflege unterstützen. Hier gibt es erste Ideen, die momentan in der Diskussion sind. Wir müssen jetzt zusammen am Thema bleiben, das ja übrigens Bischof Markus Dröge und Kulturministerin Martina Münch auf dem Landesdenkmaltag Ende 2016 angestoßen haben.
Wie hoch schätzen Sie den jährlichen Finanzbedarf zum Erhalt wenig genutzter und vielleicht nicht mehr benötigter Kirchen ein?
Das ist schwer einzuschätzen, zumal ein Überblick über den Sanierungsstand aller Kirchen im Land Brandenburg sehr aufwendig ist. Und sobald der Bericht fertig ist, ist er schon wieder Makulatur und von den Zeitläuften überholt. Aus denkmalpflegerischer Sicht gibt es keine Kirchen, die wir nicht benötigen. Kirchen sind Orte der Glaubenspraxis, sind städtebauliche Mittelpunkte, sind vom Bestand her oft mit wertvoller Substanz versehen. Und sie sind vor allem im Herzen aller Bewohner des Ortes wichtig. Vielleicht ist die letzte Eigenschaft sogar die wichtigste! Die Kirchengemeinde in Wittstock hat vor Jahren auf einem Foto der Altstadt die dortige Stadtpfarrkirche gegen einen Einkaufsmarkt ersetzt. Da haben viele gemerkt, was fehlen würde, wenn die Kirche nicht erhalten wird.
Wie viele Kirchen müssen in den kommenden Jahren dringend saniert werden? Und wie viel Geld wird dafür voraussichtlich benötigt?
Auch hier dürfte es keine validen Zahlen geben. Sie sehen der spätgotischen Nikolaikirche in Jüterbog nicht an, dass der mittelalterliche Dachstuhl dringend saniert werden muss. Gleiches gilt für die Wunderblutkirche in Bad Wilsnack mit ihren vielen Dachstühlen aus dem Mittelalter. Das sind dann jeweils in die Millionen gehende Beträge. Die Dorfkirche in Stegelitz in der Uckermark muss dringend gesichert werden, die in Laubst in Spree-Neiße ist nun nach langem Ringen aller Beteiligter in der Rettungsphase, nachdem sich der Braunkohlabbau dort vor Jahren zurückgezogen hatte. Jeder Bau ist ein Einzelfall. Es gibt dabei verschiedene Programme über die Förderung des ländlichen Raumes, Städtebauförderung, Gelder aus dem Staatskirchenvertrag und die Denkmalhilfe des Landes. Letztere beginnt nun nach wenigen Jahren zu greifen. Das Verhältnis der vorhandenen Fördersumme von landesweit einer Million Euro steht einem Antragsvolumen von fünf Millionen Euro gegenüber. Natürlich brauchen wir mehr Geld, aber auch die Kontinuität und vor allem auch Personal zur denkmalfachlichen Beratung. Das Kaputtsparen des öffentlichen Dienstes muss gestoppt werden und der Aufwuchs kommen. Seit dem Jahr 2000 haben wir 40 Prozent unserer Stellen im Landesdenkmalamt verloren und arbeiten derzeit im Notbetrieb.
Der Leiter des kirchlichen Bauamtes hat kürzlich einen Trust zum Erhalt nicht mehr genutzter Kirchen vorgeschlagen, an dem sich unter anderem Land und Kirche beteiligen sollen. Was halten Sie von der Idee?
Ich fand den Vorschlag sehr interessant. Wir müssen über die möglichen Formen der Zukunft diskutieren. Ich finde als Denkmalpfleger wichtig, dass die Kraft vor Ort gestärkt und wo nötig professionalisiert wird. Nicht wir vom Landesdenkmalamt machen Denkmalpflege, sondern die Kirchengemeinde als Besitzerin, die wir gerne fachlich beraten. Am besten ist ein Netzwerk. Da haben wir in Brandenburg sehr viel Potenzial und Formen, wo es funktioniert. Welche Formen das zukünftig sein können, muss auch mal ausprobiert werden. In England werden die dortigen Herrenhäuser durch den klug eingerichteten National Trust nachhaltig bewahrt. Mir scheinen bei uns die Kirchenkreise ein großes Potenzial zu haben, um die Ortsgemeinden zu unterstützen.
Das Gespräch führte Yvonne Jennerjahn (epd)
Thomas Drachenberg, geboren 1962 in Berlin, ist Kunsthistoriker und seit 2012 Landeskonservator und Vizedirektor des Landesamtes für Denkmalpflege (BLDAM).
Potsdamer Neueste Nachrichten vom 5. Dezember 2017
Wo gibt es bei der Bewahrung von Brandenburgs Kirchen bereits Probleme und wo sehen Sie Probleme kommen?
Zuerst die gute Nachricht. Im Land Brandenburg ist seit 1990 nicht eine einzige denkmalgeschützte Kirche abgerissen worden! Das ist ein großartiger Erfolg des in Brandenburg sehr aktiven Netzwerkes, das sich um die Denkmale als wichtigen Teil unserer Baukultur kümmert. Die Kirchengemeinden gehören dazu, die vielen Vereine unter dem Dach des Förderkreises Alte Kirchen, die Denkmalschutzbehörden, die Landesdenkmalpflege und das Kulturministerium. Gleichzeitig ist in einer riesigen Aufholjagd erfolgreich der Sanierungsrückstau – seien wir ehrlich, der reicht manchmal bis in die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zurück – zu großen Teilen beseitigt worden. Dafür sind völlig zu Recht viele Millionen D-Mark und Euro ausgegeben worden. Obwohl es den Kirchgebäuden noch nie so gut ging wie heute, haben wir aber immer noch viel zu tun. Doch geht es jetzt auch um die Konservierung und Restaurierung der Kunstschätze. Hier besteht dringender Nachholbedarf. Das Thema der Sicherung der schwierigen Fälle, die bis jetzt nicht saniert werden konnten, aber für uns alle wichtig sind, ist ebenfalls aktuell. Und wir müssen die Kirchengemeinden auch darin unterstützen, die restaurierten Gebäude zu warten und zu pflegen und rechtzeitig Schäden zu erkennen, und nicht erst warten, bis wieder eine riesige Summe nötig ist, um das Bauwerk vor dem Verfall zu retten. Großkampagnen sind im Einzelfall nach wie vor nötig, wir müssen aber die nachhaltige Pflege und Wartung organisieren. Das ist eine Aufgabe der Eigentümerin, also der Kirchengemeinde. Hier sehe ich großen logistischen und fachlichen Unterstützungsbedarf.
Was muss getan werden, um die historischen Kirchen und Kulturdenkmäler der märkischen Landesgeschichte auch in bevölkerungsarmen Regionen mit wenig Kirchenmitgliedern zu erhalten?
Es gab vor Kurzem einen mit 160 Leuten extrem gut besuchten Workshop im Konsistorium, den wir zusammen mit der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und dem Förderkreis Alte Kirchen organisiert haben. Da wurde sehr deutlich, dass auch eine einmal im Jahr genutzte Kirche genutzt ist. Oft kümmern sich alle im Dorf gerne um das prominenteste und meist älteste Bauwerk des Ortes. Hier müssen Synergie-Effekte vor Ort greifen. Die Initiative kann nur erfolgreich sein, wenn sie vor Ort ergriffen wird. Die Landesdenkmalpflege kann dabei gerne unterstützen. Wichtig scheint mir zu sein, dass es Strukturen gibt, die die Leute vor Ort beim Monitoring und bei der Wartung und Pflege unterstützen. Hier gibt es erste Ideen, die momentan in der Diskussion sind. Wir müssen jetzt zusammen am Thema bleiben, das ja übrigens Bischof Markus Dröge und Kulturministerin Martina Münch auf dem Landesdenkmaltag Ende 2016 angestoßen haben.
Wie hoch schätzen Sie den jährlichen Finanzbedarf zum Erhalt wenig genutzter und vielleicht nicht mehr benötigter Kirchen ein?
Das ist schwer einzuschätzen, zumal ein Überblick über den Sanierungsstand aller Kirchen im Land Brandenburg sehr aufwendig ist. Und sobald der Bericht fertig ist, ist er schon wieder Makulatur und von den Zeitläuften überholt. Aus denkmalpflegerischer Sicht gibt es keine Kirchen, die wir nicht benötigen. Kirchen sind Orte der Glaubenspraxis, sind städtebauliche Mittelpunkte, sind vom Bestand her oft mit wertvoller Substanz versehen. Und sie sind vor allem im Herzen aller Bewohner des Ortes wichtig. Vielleicht ist die letzte Eigenschaft sogar die wichtigste! Die Kirchengemeinde in Wittstock hat vor Jahren auf einem Foto der Altstadt die dortige Stadtpfarrkirche gegen einen Einkaufsmarkt ersetzt. Da haben viele gemerkt, was fehlen würde, wenn die Kirche nicht erhalten wird.
Wie viele Kirchen müssen in den kommenden Jahren dringend saniert werden? Und wie viel Geld wird dafür voraussichtlich benötigt?
Auch hier dürfte es keine validen Zahlen geben. Sie sehen der spätgotischen Nikolaikirche in Jüterbog nicht an, dass der mittelalterliche Dachstuhl dringend saniert werden muss. Gleiches gilt für die Wunderblutkirche in Bad Wilsnack mit ihren vielen Dachstühlen aus dem Mittelalter. Das sind dann jeweils in die Millionen gehende Beträge. Die Dorfkirche in Stegelitz in der Uckermark muss dringend gesichert werden, die in Laubst in Spree-Neiße ist nun nach langem Ringen aller Beteiligter in der Rettungsphase, nachdem sich der Braunkohlabbau dort vor Jahren zurückgezogen hatte. Jeder Bau ist ein Einzelfall. Es gibt dabei verschiedene Programme über die Förderung des ländlichen Raumes, Städtebauförderung, Gelder aus dem Staatskirchenvertrag und die Denkmalhilfe des Landes. Letztere beginnt nun nach wenigen Jahren zu greifen. Das Verhältnis der vorhandenen Fördersumme von landesweit einer Million Euro steht einem Antragsvolumen von fünf Millionen Euro gegenüber. Natürlich brauchen wir mehr Geld, aber auch die Kontinuität und vor allem auch Personal zur denkmalfachlichen Beratung. Das Kaputtsparen des öffentlichen Dienstes muss gestoppt werden und der Aufwuchs kommen. Seit dem Jahr 2000 haben wir 40 Prozent unserer Stellen im Landesdenkmalamt verloren und arbeiten derzeit im Notbetrieb.
Der Leiter des kirchlichen Bauamtes hat kürzlich einen Trust zum Erhalt nicht mehr genutzter Kirchen vorgeschlagen, an dem sich unter anderem Land und Kirche beteiligen sollen. Was halten Sie von der Idee?
Ich fand den Vorschlag sehr interessant. Wir müssen über die möglichen Formen der Zukunft diskutieren. Ich finde als Denkmalpfleger wichtig, dass die Kraft vor Ort gestärkt und wo nötig professionalisiert wird. Nicht wir vom Landesdenkmalamt machen Denkmalpflege, sondern die Kirchengemeinde als Besitzerin, die wir gerne fachlich beraten. Am besten ist ein Netzwerk. Da haben wir in Brandenburg sehr viel Potenzial und Formen, wo es funktioniert. Welche Formen das zukünftig sein können, muss auch mal ausprobiert werden. In England werden die dortigen Herrenhäuser durch den klug eingerichteten National Trust nachhaltig bewahrt. Mir scheinen bei uns die Kirchenkreise ein großes Potenzial zu haben, um die Ortsgemeinden zu unterstützen.
Das Gespräch führte Yvonne Jennerjahn (epd)
Thomas Drachenberg, geboren 1962 in Berlin, ist Kunsthistoriker und seit 2012 Landeskonservator und Vizedirektor des Landesamtes für Denkmalpflege (BLDAM).
Potsdamer Neueste Nachrichten vom 5. Dezember 2017